Entgegen ihren bisherigen Beteuerungen, diese Leistungen auszuschreiben und im Wettbewerb zu vergeben, will die Bauherrin DB Netz nun doch eine Konzernschwester, die bahneigene SEV GmbH, direkt beauftragen, zumindest während der Riedbahnsanierung. Der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmen (bdo) und mofair, der Verband der Wettbewerbsbahnen im Schienenpersonenverkehr, halten das für falsch.
bdo-Hauptgeschäftsführerin Christiane Leonard: „Es ist weder nachvollziehbar noch zulässig, dass eine Generalsanierung dieses Umfangs außerhalb des Wettbewerbs stattfinden soll. Der bdo erwartet daher eine öffentliche Ausschreibung der SEV-Leistungen im Rahmen von mittelstandsfreundlichen Losen. Zudem ist sicherzustellen, dass die zusätzlich benötigten Busfahrerinnen und Busfahrer nicht dem Busgewerbe entzogen werden. Denn das würde erhebliche negative Auswirkungen für die Nutzenden von Fernbus, Bustouristik und ÖPNV bedeuten.“
mofair-Präsident Tobias Heinemann: „Es kommt in der Branche überhaupt nicht gut an, dass die DB die SEV-Leistungen plötzlich inhouse vergeben will. Kaum hat der Koalitionsausschuss zusätzliche Mittel für die Generalsanierung in Aussicht gestellt, schon scheint die Versuchung für die DB AG einfach zu groß, sich eine mehr als nötig dicke Scheibe von der Wurst abzuschneiden. Für den Steuerzahler ist das keine gute Nachricht. Der Bund muss auf eine wettbewerbliche Vergabe drängen. Wo Bauleistungen ausgeschrieben werden können, gilt das erst recht für Busleistungen.“
Seit Frühjahr 2022 plant die Deutsche Bahn AG als Eigentümerin von 90 % des deutschen Gleisnetzes und der Stationen, insgesamt ca. 9.000 Kilometer des hochbelasteten Netzes zwischen 2024 und 2030 im Rahmen einer „Generalsanierung“ zu sogenannten „Hochleistungskorridoren“ zu entwickeln. Die Strecken sollen, beginnend mit der „Riedbahn“ zwischen Frankfurt-Stadion und Mannheim-Waldhof, jeweils für fünf Monate vollständig gesperrt werden. In dieser Zeit werden prinzipiell alle Gewerke auf einen optimalen Stand gebracht.
Da es sich dabei einerseits um besonders stark genutzte Strecken handelt und andererseits um Abschnitte von bis zu 100 km Länge, stellen sich besonders hohe Anforderungen an den Schienenersatzverkehr (SEV): Es braucht nicht nur aufwändige Bedienkonzepte (Bedienen aller Unterwegshalte und schnelle Überbrückung der gesamten Strecke), sondern vor allem einen Komfort, der dem ausfallenden Zug nahekommt: hohe Reisegeschwindigkeit, zuverlässiges WLAN, genügend Platz für Gepäck, Toiletten – also definitiv Reisebus, statt Linienbusniveau.
In der Branche war schnell deutlich geworden, dass ein SEV dieser Art nicht mit den bestehenden Regelungen in SPNV-Verkehrsverträgen dargestellt und finanziert werden kann. Überlegungen der DB Netz, die Gewährleistung daher in die Hand zu nehmen und sich beim Bund für die Finanzierung einzusetzen, wurden daher einhellig begrüßt.
Die DB Netz hatte dabei über Monate hinweg in Aussicht gestellt, die Leistungen im Wettbewerb zu vergeben: Im zweiten Quartal 2023 sollte das Vergabeverfahren für die SEV-Leistungen auf der Riedbahn gestartet werden. Davon ist jetzt, unmittelbar nach dem Beschluss des Koalitionsausschusses, der Schiene in den kommenden Jahren mehr Mittel zukommen zu lassen, nicht mehr die Rede. Stattdessen will die DB Netz das Konzernprivileg nutzen und den Auftrag an die konzerneigene SEV GmbH vergeben.
Damit drohen überhöhte Preise, die die Steuerzahlenden tragen müssten. Die DB ihrerseits sichert sich eine Monopolrendite, mit der sie ihre im Wettbewerb stehenden Transportgesellschaften im Bus- wie im Bahnsektor quersubventionieren kann. Das darf der Bund keinesfalls unterstützen. Wie Bauleistungen können und müssen auch Busleistungen wettbewerblich vergeben werden, und zwar so, dass auch mittelständische Unternehmen eine Chance haben.
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