Ehemalige „Sprach-Kitas“ im Donnersbergkreis: Kommt Spracharbeit im Alltag zu kurz?

    [Gastbeitrag der Integrationsbeauftragten des Donnersbergkreises, Prof. Dr. Erika Steinert] 

    Die kindlichen Kompetenzen entwickeln sich unterschiedlich, da sich neben den persönlichen Fähigkeiten auch die Entwicklungs- und Lernmöglichkeiten in ihren Familien voneinander unterscheiden. Eine neue Studie des Leibniz-Instituts für Bildungsverläufe zeigt, dass der Besuch einer Kindertagesstätte für Kinder aus sozial schwächeren Familien besonders wichtig ist, um herkunftsbezogene Unterschiede in den kognitiven Kompetenzen zu verringern. Gerade Kinder, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, sind besonders betroffen, wenn Betreuungsplätze fehlen. Sind sie auch dadurch benachteiligt, dass das Bundesprogramm „Sprach-Kita. Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist”, im vergangenen Jahr eingestellt wurde?

    Die überwiegende Mehrheit der Länder hat ihre “Sprach-Kita” übernommen. Damit bleiben die Strukturen und Kompetenzen, die seit dem Start des Bundesprogramms 2016 aufgebaut wurden, erhalten. Rheinland-Pfalz hat sich für einen anderen Weg entschieden. Wie kommen die ehemaligen Sprach-Kitas damit zurecht?

    Um diese Frage einschätzen zu können, besuchte ich im Januar d. J. zwei ehemalige „Sprach-Kitas“, die den höchsten Anteil von Kindern mit Flucht- und Migrationshintergrund aufweisen: die Kita Ortswiesen mit 80% und die Kita St. Elisabeth mit über 90%, beides städtische Einrichtungen in Eisenberg. In beiden Kitas stellen “Interkulturelles Lernen” und “Sprachbildung” Schwerpunkte der Arbeit dar. Die Leiterin von St. Elisabeth, Frau Rutz, betont, dass der Schlüssel für Erfolg in Schule und Beruf in guten sprachlichen Kompetenzen liege. Deshalb sei es ihr sehr wichtig, dass Kinder die deutsche Sprache erlebten, sie diese intuitiv mit geeigneten pädagogischen Methoden erlernten. Gleichzeitig werde die jeweilige Muttersprache der Kinder aktiv integriert. Den Eltern soll bewusstwerden, „welch kostbarer Schatz es ist, wenn ihre Kinder sich in zwei Sprachen unterhalten können”, betont Frau Scheufling, die Leiterin der Kita Ortswiesen. “Alltagsintegrierte Sprachbildung” wird praktiziert, indem im Alltag viele Impulse gesetzt werden, um die Sprachbereitschaft der Kinder zu fördern. Alle Erzieherinnen seien gehalten, darauf zu achten.

    Interkulturelle Arbeit ist ein wichtiger Bestandteil der Arbeit in der Kita, der sich in vielen Situationen des Alltags wiederfindet und durchaus mit Herausforderungen verbunden ist. Deutlich wird dies im Zusammenhang mit der Elternarbeit. Diese hat einen hohen Stellenwert, gestaltet sich jedoch oft schwierig. Eltern sollen als Partner einbezogen werden, um eine Partnerschaft zwischen ihnen und den Erzieherinnen zu schaffen, von der die Kinder in ihrer Entwicklung profitieren. Es ist jedoch nicht immer möglich, alle Eltern einzubeziehen. Neben der Sprachbarriere sind es kulturelle Unterschiede, die laut Frau Scheufling die Arbeit erschweren. Bei mangelndem Respekt, unhöflichen oder fordernden Umgangsformen muss vermittelt werden, dass in der Kita wechselseitige Achtung und respektvolle Kommunikation mit den Erzieherinnen erwartet wird.

    Angesichts solcher Herausforderungen verwundert es nicht, dass manche Mitarbeiterinnen mitunter überfordert sind. Frau Rutz betont, dass gute Teamarbeit, viele Gespräche, kollegiale Beratung und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit helfen können. Sie erwähnt stolz, dass in ihrer Kita zurzeit alle Fachstellen besetzt sind. Während qualifiziertes Personal in anderen Einrichtungen fehlt, wird in St. Elisabeth eine Warteliste von Bewerbungen geführt, auf die bei Bedarf zurückgegriffen werden kann. Zudem profitiert die Kita von Praktikanten und Auszubildenden, die außerhalb des Personalschlüssels laufen, Hilfstätigkeiten übernehmen und neue Sichtweisen einbringen.

    Beide Leiterinnen sind sich einig, dass der Wegfall der Bundesförderung als „Sprach-Kita“ und damit der Verlust der explizit Sprach-Fachkraft von ihrem Team nicht aufgefangen werden kann.

    „Mit jeder Kollegin, die geht und ihr erworbenes Fachwissen mitnimmt, schwindet die erworbene Qualität. Obwohl Spracherwerb spielerisch, alltagsintegriert und für Kinder ‚nebenbei‘ geschehen soll, bedarf es viel Fachwissen und persönliches Engagement jeder einzelnen Kollegin.”

    Das „Sprach-Kita“-Programm des Bundes förderte die sprachliche Bildung von 2016 bis 2023 als Teil der Qualitätsentwicklung in Kindertagesstätten, die von einem überdurchschnittlich hohen Anteil von Kindern mit sprachlichem Förderbedarf besucht werden. Jede Sprach-Kita erhielt eine halbe zusätzliche Fachkraftstelle und wurde von einer externen Fachberatung begleitet.

    Solche Sprachbildungskräfte wurden zusätzlich zum regulären Stellenschlüssel der Kitas eingesetzt. Sie konnten das Kita-Team coachen, begleiten und in der alltagsintegrierten Sprachbildung und der Zusammenarbeit mit Familien stärken. Eine frühere Fachkraft für Sprachbildung im Donnersbergkreis äußert sich begeistert: „Ein ressourcenorientiertes Konzept, bei dem alle beteiligt sind. Jeder profitiert und niemand wird beschämt.“ Die Evaluation des Programms bestätigte diesen Ansatz durch entsprechend gute Ergebnisse.

    Das Land Rheinland-Pfalz hat im Juli 2021 das Kita-Zukunftsgesetz eingeführt. Es sieht vor, Sprachförderung alltagsintegriert in allen Kitas und für alle Kinder zu gewährleisten. Der bislang auf Antrag im Rahmen der ergänzenden Sprachförderung durch das Land finanzierte Personalanteil wurde in die neuen Betreuungsschlüssel integriert. Die Kitas sollen Sprachbeauftragte im Team benennen, die ihre Kolleginnen und Kollegen entsprechend coachen. Die Umsetzung der Sprachförderung obliegt der jeweiligen Kita selbst und gehört zum Inhalt der individuellen Konzeption.

    Der rheinland-pfälzische Kita-Fachkräfteverband kritisiert angesichts des Fachkräftemangels diese Art der Sprachförderung als unrealistisch und befürchtet, dass Sprachbildung nur sehr punktuell möglich sei. Auch die GEW kritisiert neben anderen diesen Ansatz, weil spezielle Sprachförderangebote für Kita-Kinder mit Defiziten weiterhin nötig seien. In der Fachwelt wird teilweise angenommen, dass solche spezifischen Angebote eine ausschließende Wirkung auf die betroffenen Kinder haben könnten.

    Mit dem Aus der Bundesförderung für die „Sprach-Kitas“ entfällt eine zusätzliche Fördermöglichkeit in diesem Bereich. Die Verantwortung für Sprachbildung in der Kita verbleibt bei den Ländern. 13 von 16 Bundesländern setzen den mit der Bundesfinanzierung erprobten Ansatz als Sprach-Kita fort. Das Land Rheinland-Pfalz hat sich dagegen entschieden.

    Die Kita-Fachkraft könnte nun nach der Neuregelung des KitaG theoretisch als reguläres Teammitglied im Rahmen des neuen Personalschlüssels ihr Fachwissen einbringen. Aber beide Leiterinnen von Ortswiesen und St. Elisabeth stellen im Kita-Alltag eine deutliche Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis fest. Ihrer Erfahrung nach fehlt der regulären Fachkraft im Team ohne die Qualitätsentwicklung, Weiterbildung und externe Fachberatung im Rahmen des Bundesprogramms "Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist" die Zeit, um neben den täglichen Aufgaben einer Erzieherin auch die Aufgaben einer Sprachbildungsfachkraft kompetent und auf dem aktuellen Stand zu erfüllen.

    Eine der früheren Fachkräfte schlägt vor, dass man an dem erfolgreichen Programm anknüpfen und nach und nach alle Kitas zu so genannten „Sprach-Kitas“ mit zusätzlichen Fachkräften für Sprachbildung ausbauen sollte. Solche Funktionsstellen, die spezielle Qualifizierungen erfordern, könnten allen Beteiligten zugutekommen: den Kitas, den Kindern mit ihren Familien und den zusätzlichen Fachkräften, die ihr Wissen und ihre Erfahrungen einbringen könnten. Die Attraktivität des Erzieherberufs könnte erhöht werden.

    Angesichts der Tatsache, dass immer mehr Kinder schlecht Deutsch sprechen und schreiben, stellt sich die Frage, ob das bewährte und evaluierte Sprachförderprogramm nicht auch im Land Rheinland-Pfalz weiterhin gefördert werden sollte.

    Ich war sehr beeindruckt vom Engagement und der Professionalität der Leiterinnen und ihrer Teams in den Kitas Ortswiesen und St. Elisabeth. Es wurde jedoch auch deutlich, dass die ehemaligen „Sprach-Kitas“ aufgrund des Wegfalls der Bundesförderung unter großem Druck stehen.


    Foto: Erika Steinert

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