Auftakt in Obermoschel: die Alte Welt ist Modellregion für ganz Deutschland

    In vier Landkreisen in den Verbandsgemeinden Lauterecken-Wolfstein, Nordpfälzer Land, Otterbach-Otterberg und Nahe-Glan befindet sich die Alte Welt. Eine Region mit einer traumhaft schönen Landschaft. Sie soll in die Zukunft geführt werden. Dabei werden Strukturlotsen helfen - die jetzt zum Kennenlernen eingeladen haben.

    War früher das Café fürs erste Date der beliebteste Treffpunkt, so hat die Corona-Pandemie dafür gesorgt, dass ein gemeinsamer Spaziergang auf den ersten Platz gerückt ist. Man kommt ungezwungen miteinander ins Gespräch und kann locker auf das eingehen, was man am Wegesrand sieht. Zu einem ersten Kennenlernen haben jetzt auch die Strukturlotsen eingeladen, deren Ziel es ist, die Kooperation zwischen den an der Alte-Welt-Initiative beteiligten Landkreisen, der Evangelischen Kirche und dem Landkreistag Rheinland-Pfalz zu stärken und die Regionalentwicklung zu verbessern. Seit Anfang des Jahres ist das fünfköpfige Team komplett. Und bei diesem Auftakt- und Netzwerktreffen in Obermoschel ging es darum, in angenehmer Atmosphäre die eigenen Ziele zu präsentieren und zu hören, was den Menschen in den beteiligten Landkreisen wichtig ist, welche Ideen sie haben. Am Anfang stand dabei – ein Spaziergang.


    Vom Weingut Schmidt aus führten die Strukturlotsen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus verschiedenen Bereichen des öffentlichen Lebens von der Politik über die Wirtschaft bis zur Kultur in einem knapp zwei Kilometer langen Rundweg durch einen Teil der Stadt. Die Ansprechpartner für die Alte-Welt-Initiative sind Tobias Zirker (Donnersbergkreis), Lena Hoim (Landkreis Kaiserslautern), Heike Bruckner (Kreis Bad Kreuznach) und Marina Guliev (Landkreis Kusel). Jede und jeder kümmert sich um einen anderen Schwerpunkt: Wirtschaft, Innenentwicklung, Gesundheit und Tourismus. Zum Team gehört auch Elias Kappner vom Landkreistag Rheinland-Pfalz, der als Koordinator und Ansprechpartner zu rechtlichen und fachlichen Fragen fungiert.

    Dem Bevölkerungsrückgang soll entgegengewirkt werden

    Organisiert hatten den ersten Austausch Reiner Bauer, Wirtschaftsförderer und Standortentwickler des Donnersbergkreises, sowie Tobias Zirker. Bauer sprach von einer „tollen Region“, die zunehmend auch über diese hinaus entdeckt werde und viel Potenzial besitze. Die Aufgabe der Strukturlotsen ist es nach Zirkers Worten primär, Ideen zu entwickeln und Informationen zu Projekten zu sammeln, um sie dann an die zuständigen Stellen weiterzugeben. Sie sehen sich als Impulsgeber, „wir schließen die Lücke zwischen der Idee und der Umsetzung“. Es gehe um das Netzwerken und das aktive Suchen von Kooperationen. Dabei wollen sie sich unter anderem um die ärztliche Versorgung auf dem Land und eine Verbindung von Tourismus und Gesundheit kümmern, aber auch der Überalterung, dem Wegzug und somit dem Bevölkerungsrückgang in der Alten Welt entgegenwirken. Zu dieser gehören in den vier Landkreisen die Verbandsgemeinden Lauterecken-Wolfstein, Nordpfälzer Land, Otterbach-Otterberg und Nahe-Glan.


    Indem ungenutzte Häuser und Höfe reaktiviert, Ortsdurchfahrten saniert sowie neue Wohnformen generiert werden, sollen die Gemeinden ein attraktives Wohnumfeld bekommen, um Menschen für das Herziehen und Bleiben zu begeistern. Das Leben und Arbeiten unter einem Dach soll neu gedacht, das Bewusstsein für ortstypische Bauformen geschärft werden. Die Pandemie habe einen solchen „Coworking Space“ beziehungsweise das Homeoffice salonfähig gemacht. Das gelte es nun zu nutzen, die ländliche Region könne davon profitieren, sagte Zirker. Dabei sei die Fachkräftegewinnung das Überthema: „Wir brauchen Impulse von denjenigen, die Betriebe übernehmen und gründen wollen.“ Man habe „gute Argumente, junge Menschen hier zu halten beziehungsweise sie dafür zu begeistern, aus den Ballungsräumen und anderen Ländern hierher zu kommen“.

    Durch die Vernetzung mehr Macht für Veränderungen bekommen

    Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zeigten sich begeistert von der Initiative und den Ideen. Allerdings mahnte ein Bürgermeister während des Rundgangs an, dass die Politik die rechtlichen Grundlagen schaffen müsse, damit die Gemeinden sanierungsbedürftige Häuser entwickeln können. Wenn man die Instrumente dafür nicht an die Hand bekomme, werde es nur bei Ideen bleiben. Aber vielleicht schaffe die Vernetzung untereinander eine größere Macht, um hier etwas zu erreichen.


    Bei einer Themen- und Diskussionsrunde im Weinpark des Weinguts Schmidt, moderiert von Sebastian Stollhof, Leiter des Donnersberger Landrats-Büros, wurden zunächst weitere Eckpunkte der Strategie für die Alte Welt abgesteckt. Heike Bruckner betonte, die gesundheitliche Basisversorgung müsse gewährleistet sein, damit niemand Angst davor haben müsse, hier alt zu werden. Dabei werde auch Druck auf die Entscheider in der Landes- und Bundespolitik ausgeübt werden müssen, denn momentan sei die Region diesbezüglich stark unterversorgt. Der Tourismus in der Alten Welt ist noch im Aufbau, erklärte Marina Guliev, was einen Vorteil habe: „So kann man ihn nachhaltig gestalten.“ Nicht wie sonst in der Branche üblich im Mindestlohnsektor, sondern reguläre, zukunftsfähige Arbeitsplätze könnten so entstehen. „Er muss von den Einheimischen getragen werden“, um langfristig bestehen zu können. Und Lena Hoim erklärte, bei der Beseitigung von Leerständen dürfe man nicht den einfachsten Weg gehen und die Objekte einfach verkaufen. Sie müssten einer Nutzung zugeführt werden, die einem Ort einen Mehrwert bringe.

    Aus einer Idee bei einem Glas Wein ist ein „Erfolgsprozess“ geworden

    Schon jetzt schauten andere Landkreise in Rheinland-Pfalz ganz genau, was sich hier tut, sagte Elias Kappner. Und nicht nur hier. Der Donnersberger Landrat Rainer Guth berichtete, dass er bei einer Sitzung des Deutschen Landkreistags erfahren habe, dass die Alte Welt bei seinen Amtskollegen bereits sehr bekannt ist. Es gehe darum, ein neues Selbstbewusstsein in dieser Region zu schaffen. Die Frage sei, „wer wir sind und was wir daraus machen“. 

    Auch im Vergleich zu anderen Gegenden „haben wir hier eine herausragend schöne Landschaft“. Die Alte Welt sei nicht abgelegen, sondern biete viele Möglichkeiten. Gerade in einer Zeit, in der der ländliche Raum an Bedeutung gewonnen und die Flucht vom Land in die Stadt sich umgekehrt habe. Die Digitalisierung begünstige das, wenngleich die Infrastruktur, beispielsweise im Gesundheitsbereich, teilweise kritisch sei.

    Auch der Kaiserslauterer Landrat Ralf Leßmeister zeigte sich begeistert von der Alten Welt und dem Strukturlotsen-Projekt: Aus einer Idee der vier Landräte bei einem Glas Wein sei bereits ein „Erfolgsprozess“ geworden. Jetzt müsse die „flächendeckende Mobilisierung“ der kommunalen Akteure erreicht werden. Und auch Otto Rubly, Landrat des Kreises Kusel, gleichzeitig Vorsitzender des Alte-Welt-Vereins, sah viele Vorteile in diesem Zusammenschluss. Durch diesen könne man auch in anderen Bereichen womöglich eine kreisübergreifende Zusammenarbeit fördern.


    Leßmeister ergänzte, dieses Zusammenwirken, das Kritiker vorher für nicht praktikabel gehalten hätten, habe inzwischen Modellcharakter und werde sicherlich als Blaupause für andere Regionen dienen. Landrat Guth wies darauf hin, dass man sich dabei zwar von manchem gedanklich verabschieden müsse, was lange selbstverständlich gewesen sei, etwa einem konventionellen landwirtschaftlichen Betrieb, der sich mit 50 Hektar Fläche noch selbst trage. Doch dafür könnten neue Nutzungen entstehen. Bestes Beispiel sei der Hof Lebensberg in Obermoschel, der in einer Hofgemeinschaft regenerativ bewirtschaftet wird. Hier geht es neben der Landwirtschaft um die Idee, ganzheitlich zu leben und zu arbeiten – eben genau das, wofür die Alte Welt künftig stehen soll.

    Ein „Mia san mia“-Gefühl schaffen

    Von Sebastian Stollhof danach gefragt, wie die Region 2035 aussehen könnte, antwortete Otto Rubly, dass man dann nicht mehr über Leerstände reden werde, sondern darüber, wie naturgerecht weiterer Wohnraum geschaffen werden kann. Denn der Boom der ländlichen Entwicklung werde weitergehen. Und letztlich solle das Eigenbild besser sein als heute. Das will auch der Donnersberger Landrat erreichen: ein „Mia san mia“-Gefühl, das in Bayern viele Gegenden hätten, die nicht so vielfältig seien wie die Alte Welt.

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